CDU: Die Weichen in die richtige Richtung stellen

Wahlkampfauftakt und Neujahrsempfang der CDU im Kreis Rottweil in der Szene 64 in Schramberg

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Zum ersten Mal in der Geschichte des CDU-Kreisverbands fand der Neujahrsempfang nicht in Rottweil, sondern in der (gut gefüllten) Szene 64 in Schramberg statt. 45 Tage vor der Bundestagswahl stand der Empfang ganz im Zeichen des Wahlkampfs.

Schramberg/Kreis Rottweil. Mit dem „Jägerchor“ aus dem „Freischütz“ begrüßten sieben Musikerinnen und Musiker vom Frohsinn Rottweil-Altstadt die Gäste. Als Kreisvorsitzender hieß der Landtagsabgeordnete Stefan Teufel zahlreiche Gäste willkommen. Unter anderem den früheren CDU-Bundestagsabgeordneten Volker Kauder, dessen Nachfolgerin Maria Lena Weiss und Landrat Wolf-Rüdiger Michel. Besonders hieß er den ersten parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, willkommen. Dieser habe „ohne Umschweife“ zugesagt, die Festrede zu halten.

Sehr gut besuchter Neujahrsempfang der CDU. Foto: him

Etliche Kommunalpolitiker, Bürgermeister, Vertreter der Wirtschaft und der Verwaltungen waren gekommen, um sich auf den Wahlkampf einstimmen zu lassen. Dass die Veranstaltung hier in Schramberg stattfinde, gehe auf eine Anregung von Schrambergs Ehrenbürger und seinem Vorgänger im Landtag, Hans-Jochem Steim, zurück.

Wirtschaft entscheidend

Teufel ging in seiner Begrüßung auf die Fraktionsklausur seiner Fraktion ein. Man sei sich einig gewesen, dass es vor allem auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Wirtschaft und die Sicherung von Arbeitsplätzen ankommen werde. Dafür sei eine Unternehmenssteuerreform erforderlich.

Stefan Teufel. Foto: him

Er streifte die Themen Migration, Bürgergeld und Fluchtursachen. Das Ehrenamt wolle die CDU weiter stärken und über ein gesellschaftliches Pflichtjahr reden, um „die Fliehkräfte in der Gesellschaft zu minimieren“. Er lobte die Landesregierung, die über ELR-Mittel viel für den ländlichen Raum geschafft habe.

Lähmung überwinden

Hauptredner war Thorsten Frei. Der Bundestagsabgeordnete aus dem Nachbarwahlkreis Schwarzwald-Baar meinte zu Beginn, er wünsche den Anwesenden, dass „die guten Vorsätze möglichst lange tragen“. Die Bundestagswahl komme nun früher als gedacht. Er sei „froh, dass die Lähmung sich nicht über den Sommer hinzieht“. Es werde „eine Richtungswahl. Wohin soll unser Land gehen?“

Zur Wahl brauche man eigentlich nur eine Frage stellen, die Ronald Reagan vor 44 Jahren gestellt habe: „Geht es Ihnen heute besser als vor drei Jahren?“ Wirtschaft, Sicherheit, Arbeitslosigkeit Inflation. Wenn man auf diese Fragen mit nein antworte, bleibe nur eine Wahl. Die Politik müsse die Rahmenbedingungen schaffen. „Diese Regierung hat es nicht gut gemacht.“ Diese Antwort qualifiziere die CDU aber noch nicht für die Übernahme der Regierung.

Deutschland ist ein starkes Land

Die Arbeitslosigkeit steige, die Wirtschaft stagniere. Deutschland sei aber ein starkes Land mit gut ausgebildeten Menschen, habe beste Voraussetzungen, werde aber unter seinen Möglichkeiten regiert. Deshalb sei ein Politikwechsel nötig.

Nicht alle Fehler seien in den letzten drei Jahren begangen worden, bekannte Frei. Die Herausforderungen wie der Krieg in Europa. Das habe nicht erst am 24. Februar 2022 begonnen, sondern bereits mit der Annektion der Krim 2014. “Ein Land überfällt ein anderes“. Er spüre das Missbehagen und die Angst in der Bevölkerung. „Aber es gibt keine Alternative, standhaft zu bleiben.“

Ukraine unterstützen

Es gehe um die Friedens- und Freiheitsordnung in Europa. Wenn eine Macht gewaltsam Grenzen verschiebe, dann hätten Verträge keine Bedeutung mehr. Frei erinnerte an das Budapester Memorandum von 1994. Damals habe die Ukraine auf sämtliche Atomwaffen verzichtet und diese an Russland übergeben und im Gegenzug die Garantie ihrer Souveränität erhalten.

Wenn solche Verträge nicht mehr gelten, fürchte er, werde sich eine Aufrüstungsspirale entwickeln. „Statt der Stärke des Rechtes wird das Recht des Stärkeren gelten“. Deshalb müsse man die Ukraine weiter unterstützen, auch wenn es schmerzhaft sei. Verhandeln könne man nur aus einer Position der Stärke.

Wirtschaft stärken

Das hänge auch mit wirtschaftlicher Stärke zusammen, leitete Frei zum nächsten Thema über. „Wir müssen wieder in eine Phase des Wirtschaftswachstums kommen.“

In Deutschland fehle es an Investitionen in die Infrastruktur und Digitalisierung. Nur mit Wachstum seien die Herausforderungen zu bewältigen. „Wir müssen alles tun für Wirtschaftswachstum.“ Kanzler Scholz habe geglaubt, mit Investitionen in den Klimaschutz könnte Wirtschaftswachstum erreicht werden. Dabei habe Deutschland in den vergangenen drei Jahren schrumpfende Wirtschaft erlebt. „Das habe es noch nie in der bundesdeutschen Geschichte gegeben. In den letzten fünf Jahren sei die Wirtschaft in Deutschland um 0,1 Prozent gewachsen, in den USA um 12 Prozent. 

Wachstum fehlt

Frei erwähnte die schleichende Deindustrialisierung. Im letzten Jahr habe der Kapitalabfluss 130 Milliarden Euro betragen. „Wir müssen es anders machen als die Bundesregierung.“ Diese habe einzelne Branchen oder gar Unternehmen subventioniert das sei der Falsche Ansatz. Deutschland sei das Wachstumsschlusslicht in der OECD, in der EU und bei G7.

Deutschland müsse seine Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen. Da seien zum einen die hohen Energie- und Strompreise. Firmen investieren, da wo diese niedrig sind.

Deshalb müsse man bei den Energiepreisen ansetzen. Um den Strompreis zu senken, müssten die staatlichen Anteile wie Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz sinken. Die Netzentgelte sollten aus der CO2 Abgabe finanziert werden.

Beim CO2 dürfe man nicht nur auf das Vermeiden setzen, sondern müsse auch CO2 aus der Atmosphäre holen und im Boden verpressen oder wieder verwerten. Es sei wichtig, dass nicht nur Deutschland seinen CO2 Ausstoß reduziere, sondern dies weltweit geschehe, insbesondere in den USA und China. „Die machen aber nur mit, wenn wir es erfolgreich machen.“

Seit 2008 habe es in Deutschland keine Unternehmenssteuerreform mehr gegeben Die Steuersätze lägen bei uns mit etwa 30 Prozent deutlich über denen vergleichbarer Länder. „Die Firmen haben keinen Grund in Deutschland zu investieren.“

Mehr Risiko

Hinzukommen müsse eine Deregulierung und der Bürokratieabbau. Ihm sei es eigentlich peinlich, denn als Politiker sei er dabei Teil des Problems, nicht der Lösung, gab Frei zu. 1990 habe es 5000 Bauvorschriften gegeben, heute seien es 20.000.

Er wolle die Verantwortung aber nicht von sich schieben, so Frei. „Wir müssen uns selbst fragen, ob wir nicht auch Teil des Problems sind. Wir werden immer risikoaverser. Dabei ist das Leben eben ein Risiko. Wir wollen alles absichern und suchen Einzelfallgerechtigkeit. Wir brauchen Mut zur inhaltlichen Lücke.“

Mehr arbeiten

Er habe die Forderung der Gewerkschaft Verdi nach drei zusätzlichen Urlaubstagen gelesen. „Mehr Wohlstand mit weniger Arbeit gab es nie und wird es nie geben.“ Vor 25 Jahren habe ein Vollzeitbeschäftigtet noch 1900 Stunden pro Jahr gearbeitet, heute seien es 1335. In der Schweiz würden 200 Stunden mehr gearbeitet.  Er frage sich, wie das gehen solle, Homeofficepflicht – am besten montags und freitags- , 32 Stunden Woche und Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich?

Die Rahmenbedingungen stimmten nicht. Das sehe man auch daran, dass 650.000 Vollzeitbeschäftigte nebenbei noch einen 450-Euro-Job hätten. Diese sollten doch lieber in der eigenen Firma Überstunden machen, so Frei.

Thorsten Frei. Foto: him

Arbeitnehmerrechte abbauen

Die in der EU geltende Wochenhöchstarbeitszeit würde auch für Deutschland ausreichen. „Wir brauchen keine Tageshöchstarbeitszeit, die viele Probleme in den Betrieben und der Gastronomie verursacht“. Die, die arbeiten sollen mehr davon haben. „Bei denen, die nichts arbeiten, aber arbeiten können, da müssen wir sehr, sehr genau hinschauen.“

Wer nicht kann, dem werde geholfen, das sei soziale Marktwirtschaft seit Erhard, davon habe Deutschland profitiert. Sicherheit und sozialer Zusammenhalt, solidarische Gesellschaft. „Wir müssen uns aber konzentrieren auf diejenigen, die es brauchen.“

Einkommenssteuern runter

Mit einer Steuerreform möchte die Union die mittleren und unteren Einkommen entlasten. Die ersten 12.000 Euro seien steuerfrei, doch dann steige der Steuersatz steil an. Der Höchstsatz sei schon mit dem anderthalbfachen des Durchschnittslohns erreicht. Das seien nicht die Spitzenverdiener mit etwa 66.000 Euro.  Früher musste man das 15-fache verdienen, um den Spitzensteuersatz zahlen zu müssen.

Die CDU wolle diese Grenze auf 80.000 hochsetzen. Eine Entlastung auf der ganzen Schiene werde etwa 40 Milliarden kosten, verteilt auf vierJahren seien dies 10 Milliarden, die sich Bund und Länder teilten. Der Bund werde also auf fünf Milliarden pro Jahr verzichten.

Bürgergeld runter

„Das Land kann sich keine 5,6 Millionen Bürgergeldempfänger leisten“, so Frei. Davon seien zwei Millionen arbeitslos und zwei Millionen Aufstocker. Würde man eine Million in Arbeit bringen, würde das 30 Milliarden Euro pro Jahr sparen. Da sei ein großes Potenzial.

„Wer für seinen Lebensunterhalt aufkommen kann, muss es auch machen.“ Man könne nicht erwarten, dass die Gesellschaft einem den Lebensstil finanziert, wenn man nicht arbeiten möchte. Die Leistungsgerechtigkeit sei ein großes Thema.

Dinge in Ordnung bringen

Die Funktionsfähigkeit des Staats müsse wieder hergestellt werden. Es sei nicht akzeptabel, wenn in Dresden eine Brücke einfach in die Elbe fliegt. Oder im Winter Hustensaft in den Apotheken nicht zu kaufen ist. „Wir müssen Dinge wieder in Ordnung bringen. Eine grundlegende Politikwende schaffen, um auf den Wachstumspfad zurückzukehren.“

Frei erinnerte an den „Kranken Mann von Europa“ von 1999 und die nur wenige Jahre später erscheinende Schlagzeile von der „Wachstumslokomotive Deutschland“.“: „Wir müssen Rahmenbedingungen so setzen, dass die Menschen ihre Kreativität entfalten können. Wir kämpfen dafür, dass die Menschen uns vertrauen, dass wir die Weichen in die richtige Richtung stellen.“

Keine Koalitionsdebatten

Vertrauen aufzubauen sei sehr schwierig. Die Union werde bis zum letzten Tag kämpfen. Diskussionen über Koalitionen seien falsch, so Frei „Wenn wir den Wechsel wollen, sollten wir nicht über andere sprechen, sondern nach vorne stellen, dass es vorwärts geht.“

Als ob die Frohsinns-Musiker geahnt haben, dass eine solche Bemerkung Richtung Markus Söder kommen würde: Sie spielten nämlich nach Freis Rede: „Mein kleiner grüner Kaktus…“

Die Abordnung des Frohsinn aus Rottweil-Altstadt. Foto: him

Frischzellenkur für den Staat

In ihrem Schlusswort sprach Maria-Lena Weiss von herausfordernden Monaten mit Wahlkampf und Regierungsbildung. „Wir wollen unser Land wieder auf Kurs bringen und haben eine realistische christdemokratische Chance das zu tun.“

Maria-Lena Weiss. Foto: him

Der Staat habe träge über seine Verhältnisse gelebt, die CDU wolle diesem Staat „eine Frischzellenkur“ verpassen, versprach sie. Das CDU-Wahlprogramm trage Freis Handschrift. „Deshalb ist es ein gutes Programm.“ Die CDU werde dafür sorgen, „dass unser Land wieder aufholt“.

Zum Bürgergeld meinte sie: „Wer sich nicht anstrengt, muss das zu spüren bekommen.“

CDU wählen

Sie appellierte an die Wähler, ihre Partei und nicht die FDP oder gar die AfD zu wählen. Weshalb sollte man die Liberalen dafür belohnen, was sie drei Jahre mitgemacht haben? frage sie sich. Wer die AfD wähle, schwäche nicht rot und grün. „Jede Stimme für die AfD ist eine verlorene Stimme.“

Ehemalige und jetzige Mandatsträger auf einen Blick: der frühere Bundestagsabgeordnete Volker Kauder (von links), seine Nachfolgerin Dr. Maria Lena Weiss, Festredner Thorsten Frei MdB, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer; der Schramberger Ehrenbürger und ehemalige Landtagsabgeordnete Dr. Hans-Jochem Steim sowie sein Nachfolger Stefan Teufel. Foto: him

Am Ende dankte Teufel den Organisatoren des Abends um Dominik Dieterle. Er lud Frei zur Bach-na-Fahrt ein, auch wenn um diese Zeit wohl Koalitionsverhandlungen geführt werden würden. „Aber für die Bach-na-Fahrt sollte immer noch bissle Zeit sein.“ Schließlich lud er zu einem Stehempfang – Motto: „Zu Gast unter Freunden.“

Martin Himmelheber (him)

... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.

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